15 Jahe DSA

 

Ein denkwürdiger Tsatag für das größte deutsche Rollenspiel

von Britta Herz

entnommen aus der Wunderwelten 50

Passend zur Jubiläumsausgabe der WuWe dürfen Liebhaber des Schwarzen Auges zu einem zweiten klangvollen Jahrestag die Sektschale - respektive den Humpen Ferdoker - lüpfen: Deutschlands größtes Rollenspiel feiert dieser Tage seinen fünfzehnten Geburtstag! Wie bei einem Spiel, das mit der Entwicklung der deutschen Tischrollenspiel-Szene von Kindesbeinen an verquickt war, nicht anders zu erwarten, blickt DSA auf eine wechselvolle Geschichte voll glücklicher Fügungen und tragischer Wendungen zurück - und wir haben uns diesen Zeitpunkt zum Anlaß genommen, dem Leser die Vergangenheit, Gegenwart und (mögliche) Zukunft des lebendigen Gefüges näherzubringen, das sich Das Schwarze Auge nennt.

Doch zunächst sollte ich vielleicht erst einmal der Höflichkeit Genüge tun und mich dem werten Leser dieses Magazins vorstellen: Mir obliegt zusammen mit der Illustratorin, Roman- und Abenteuerautorin Ina Kramer die Chefredaktion des Schwarzen Auges, was bedeutet, daß wir zusammen mit einem Kreis aus Stammautoren und -redakteuren die Entwicklung der Welt des Schwarzen Auges planen und betreuen. Dabei standen sowohl Ina als auch ich demjenigen Menschen sehr nahe, dem DSA seine Existenz verdankt, seinem geistigen Vater und dem Mentor der Autorenschar, die im Laufe des vergangenen Jahrzehnts maßgeblich an der Ausgestaltung Aventuriens beteiligt war: Ulrich Kiesow, der im Januar des Jahres 1997 verstorben ist. Ihm sollte an dieser Stelle vorrangig unser Dank und unsere Anerkennung gelten, denn ohne ihn wäre das Universum, in dem Tausende von DSA-Spielern einen Großteil ihrer Zeit verbringen, nie zustandegekommen. Ohne ihn hätten weder solch charismatische Persönlichkeiten wie Thesia von Ilmenstein, die Adelsmarschallin des Bornlands, oder Gilia von Kurkum, die Königin die Amazonen, noch zahllose andere Personen, die heutzutage unser Bild von Aventurien prägen, je Gestalt angenommen - oder zumindest, so kommt es dem DSA-Begeisterten wohl eher vor, hätten die Bewohner unserer Welt ohne Ulrich Kiesows "vermittelnde Dienste" nie von dem bunten Treiben in den Gassen Havenas erfahren ...

Als sein vielleicht größter Verdienst jedoch ist es zu werten, daß er andere an seiner Kreativität nicht nur als Leser und Spieler teilnehmen ließ, sondern sie aktiv zur Mitgestaltung "seiner" Spielwelt einlud und so ein Gesamtwerk ins Leben rief, in dem sich die literarischen Fähigkeiten und die Phantasie der unterschiedlichsten Autoren ergänzten und das nicht zuletzt von der Begeisterung und dem Willen zur Mitgestaltung der Spieler selbst vorangetrieben wurde.

Die Anfänge des Spielsystems werden den meisten Lesern wohlbekannt sein, sind sie doch im Lexikon des Schwarzen Auges zu finden, sollen hier aber dennoch der Vollständigkeit halber noch einmal Erwähnung finden: Nachdem DSA im Jahre 1984 von Droemer Knaur und Schmidt-Spiele auf den Markt gebracht wurde (von dem ursprünglichen Plan einer Übersetzung von D&D hatte der Verlag wegen überhöhter Lizenzforderungen Abstand genommen), gewann es sprunghaft an Beliebtheit. Manche von denen, die das von Ulrich Kiesow, Ina Kramer, Werner Fuchs und Hans-Joachim Alpers kreierte Rollenspiel-Universum in seinen Bann zog, sind zu alten Kämpen der Autorenschaft geworden, die DSA noch heute mitgestalten: Als Weitenschöpfer der (nahezu) ersten Stunde sind etwa Hadmar Freiherr von Wieser aus Salzburg zu nennen - bislang offenbar der einzige Schreiberling von Stand, den sich die DSA-Redaktion leisten konnte -, Thomas Römer und Michael Brandt, zwei Physik bzw. Mathematik-Studenten, die der irdischen Wissenschaft bedauerlicherweise verloren gingen (wenngleich ihre Verdienste um die Magiekunde und um die Kreaturen Aventuriens ihresgleichen suchen). Auch Jörg Raddatz, der unbeirrbar an dem Weg zu den höheren Weihen des Geschichtsstudiums festhält und darum in den Wirren aventurischer Historie und Heraldik spielend den akademischen Durchblick bewahrt, ist immer noch, unterstützt von seiner Gefährtin Heike Kamaris, maßgeblich an der DSA-Arbeit beteiligt. Karl-Heinz Witzko, unumstrittener Fachmann in Sachen Maraskan und Statistik, Bernhard Hennen (legendärer Wüstenpionier, Journalist, Buchautor und Perlenmeer-Kundiger) und Ralf Hlawatsch (den das Maschinenbau-Studium zu besonders akribischen, kunstfertigen Stadtplänen zu beflügeln scheint) gehören ebenso zum Kreis der Stammautoren wie Gun-Britt Tödter (Ärztin mit dem Ressort Feen und aventurische Pferderassen), Lena Falkenhagen (die in nachgerade rührender Weise um das Wohl aventurischer Vampire und Wolfswesen bemüht ist); Stefan Küppers (ein Zyklopen-Liebhaber aus dem schönen Würselen), Thomas Finn (Allroundtalent und Drehbuchschreiber, 'alter Hase' der deutschen Rollenspielszene, aber 'Küken' der Redaktion) - und schließlich Michael 'das Compendium' Meyhöfer, der sich mit unerschütterlichem Eifer um Lexikon und Almanach verdient gemacht hat und darüber hinaus zusammen mit der arbeitsamen Frau Henschel den Aventurischen Boten gestaltet. Nicht vergessen werden sollten an dieser Stelle Florian Don-Schauen, der als Gastautor zu FanPro kam und dort nun gemeinsam mit Thomas Römer für Lektorat und Layout zuständig ist, und Ralf Berszuck dem die neue Gestaltung der Abenteuer- und Boxen-Cover zu verdanken ist.

In bemerkenswerter Weise an der Gestaltung Aventuriens mitgewirkt haben auch Michelle Melchers, Niels Gaul, Reinhold Mai und Norbert Venzke - und vor allem die zahlreichen aktiven Spieler aus dem Fandom, deren Engagement und Einfallsreichtum Aventurien erst zu dem quasi realistischen Detailreichtum verhalfen, der es heutzutage auszeichnet: Fanzine-Herausgeber wie Arne Gniech, Rainer Kriegler und Andreas Michaelis, Gerd Böder und die Organisatoren von Spielerorden und -söldnerbannern wie Torsten Grube, Arne Kaminski oder Kolja Behrens, die 'Kirchenbeauftragten' Frank Parting und Susi Michels, und, allen voran, all jene, die jede freie Minute der Korrespondenz des Spieleradels widmen - den Baronen, Junkern, Edlen und natürlich zuvörderst den Kanzlern, die in endloser Kleinarbeit jeder noch so kleinen Parzelle aventurischen Bodens Leben einhauchen und unter anderem das jährliche Live-Spektakel auf Burg Bilstein ermöglichen, das für wenige Stunden aventurische Wirklichkeit zur irdischen Realität werden läßt. Die Adressen der einzelnen Kanzler und Zuständigen für das aventurische Adelswesen finden sich untenstehend; ebenso wie die Anschriften der DSA-Regionalmeister, die für jede Frage zum Schwarzen Auge ein offenes Ohr haben und für die üblichen Probleme im Umgang mit Meister, Superhelden und Regelfuchsern eine probate Lösung wissen.

All jenen Spielern und Autoren, die dem Schwarzen Auge auch in schweren Zeiten die Stange hielten, soll unser besonderer Dank gebühren: Als unsere tägliche Arbeit noch vom überraschenden Tod Ulrich Kiesows überschattet war, traf uns - im Verbund mit allen Fans - eine weitere Schreckensnachricht wie ein Keulenhieb: Die Firma Schmidt Spiele, die DSA von Anbeginn an betreut hatte und mit traditionellen Spielen wie Puzzles gemeinhin als Ikone der Sicherheit galt, meldete Konkurs an. Mit einem Mal war ungewiß, ob DSA überhaupt noch eine Zukunft hatte oder auf immer zu einer nostalgischschwärmenden Erinnerung aus Studententagen werden sollte. Ich erinnere mich noch gut, wie ich mit einem Berg aus Spielerbriefen da saß (alten Briefen aus der Zeit vor dem Konkurs, die uns von Schmidt im Zuge des allgemeinen Auf- und Ausräumens zugeschickt worden war), und mir plötzlich klar wurde, in welchem empörenden Gegensatz die Begeisterung, die aus diesen Briefen sprach, zu dem Gebaren all jener Leute stand, die über das Schicksal von DSA entscheiden sollten. In diesem Moment packte mich ein "rondragefälliger Zorn" auf all die Vergleichs- und Konkursverwalter, die nicht einmal wußten, worin der Reiz von dem lag, das sie nun wie einen seelenlosen Lagerposten verschachern wollten - "unser" Spiel nämlich -, und ich machte mich, schon fast eher als Trotzreaktion, im Verbund mit Ina Kramer an die Arbeit: Zusammen mit Michael Meyhöfer stellten wir die Ausgabe 68 des Boten fertig, von der niemand damals wußte, ob und wann sie von wem je veröffentlicht werden würde - nur so, um uns und der Welt zu beweisen, daß wir an die Zukunft des Schwarzen Auges glaubten. Und noch heute habe ich das Gefühl, daß sich der Glücksgott Phex persönlich von diesem Vorgehen angesprochen fühlte - denn nach einer geraumen Weile des bangen Abwartens war plötzlich der beste Partner gefunden, den sich DSA nur wünschen konnte: die Firma Fantasy Productions, deren Mitarbeiter und Teilhaber selbst das Spiel aus der Wiege gehoben hatten und die darüber hinaus schon in der Vergangenheit mit Werken wie dem aventurischen Lexikon und Kaiser Retos Waffenkammer gezeigt hatte, daß sie DSA-Produkte von bester Güte hervorbringen konnte. Ich glaube, jeder wird sich die Erleichterung, die uns Redakteure bei dieser freudigen Nachricht packte, ausmalen können - und möchte an dieser Stelle noch einmal all jenen, die fast ein halbes Jahr lang mit uns um die Zukunft des Schwarzen Auges bangten, von ganzem Herzen danken.

Nun sind längst wieder ruhigere Zeiten angebrochen, in denen wir uns wieder mit Feuer eifer unserer eigentlichen schöpferischen Arbeit widmen können und frohen Mutes dem neuen Jahrtausend mit seinen Verheißungen aus dem sagenumwobenen Güldenland entgegensteuern - der Alltag ist zurückgekehrt in die Redaktions- und Autorenstuben.

Doch wie sieht dieser Alltag eigentlich aus? Auf Wunsch der WuWe-Redaktion und um der historischen Bedeutung einer Jubiläumsausgabe gerecht zu werden, habe ich mich schweren Herzens entschlossen, ein gut gehütetes Geheimnis zu lüpfen, das manch einen gutgläubigen Fan ein für allemal desillusionieren wird: Nein, die DSA-Redaktion arbeitet nicht in einem wohlklimatisierten, mahagonigetäfelten Großraumbüro, und auch nach palmwedelschwingenden Musen, die im durchscheinenden Gewand die Inspiration herbeisäuseln, hält man auf den meisten Redaktionssitzungen vergebens Ausschau. Tja, das Leben kann echt bitter sein ... Die Realität indes stellt sich wie folgt dar: Wir - will meinen, der Kreis der Stammautoren und -redakteure, der insgeheim die heilige Zahl von zwölf Mitgliedern anstrebt - treffen uns mehrmals im Jahr, um anstehende Publikationen und/oder die Details der aventurischen Zukunft (politische Chronologie, Werdegang der wichtigsten Meisterpersonen etc.) zu besprechen und en detail zu planen, in welcher Form unsere Ideen Gestalt annehmen sollen. Danach wird die Redaktion wieder in alle Winde verstreut, und ein jeder macht sich in stiller Heimarbeit ans Schreiben und Redigieren - wobei, ganz nebenbei, die eMail-Drähte nur so summen im steten Bemühen, sich miteinander abzusprechen. Und weil es zu viel zu koordinieren gibt - die Arbeit der Autoren und Redakteure untereinander, die verschiedenen DSA-Publikationsformen und die 'Erkenntnisse' der Spieleradligen, ist auch weiterhin gesichert, daß trotz bestem Mühen und Wollen ein gewisser Grundstock an größeren und kleineren Pannen gewährleistet bleibt, der von dem altgedienten Fan - da sind wir uns ganz sicher- insgeheim als zutiefst beruhigend empfunden wird - was wäre unser Spiel schließlich ohne das vielzitierte CDSA, das Chaos des Schwarzen Auges, und die erfüllende Genugtuung, wieder einmal einem klitzekleinen Fehler auf die Schliche gekommen zu sein ...

So weit zur Gegenwart ... Doch was bringt die Zukunft? Nun, wie schon oft an anderer Stelle erwähnt, werden wir zu Beginn des neuen Jahrtausends den Aufbruch ins legendäre Güldenland wagen. Über die genaue Natur dieses geheimnisvollen Kontinents wollen wir uns auch weiterhin in Schweigen hüllen, bis den ersten mutigen Helden die gefahrvolle Passage über das Meer der Sieben Winde gelungen ist, doch sei so viel so schon verraten: Bei der Schilderung Güldenlands werden wir deutlich stärker Fantasy-Elemente einbinden, als dies im gegenwärtigen Aventurien der Fall ist. Dabei ist nicht daran gedacht, den Spielern von Anfang an eine umfassenden Rahmenbeschreibung an die Hand zu geben, die - wie im Falle Aventuriens geschehen - im Laufe der Zeit mit einem Netz von Detailinformationen gefüllt wird -, sondern sie sollen die einzelnen Facetten dieses riesigen, fremdartigen Landes in kleinen Schritten selbst entdecken können.

Wissen ist teuer im Güldenland und steht nur den Wenigsten, Mächtigsten offen - und so stellt schon allein ein Pergament, das (mit an Verläßlichkeit grenzender Abweichungsdichte) den Küstenverlauf im mittleren Nordosten zeigt, eine Kostbarkeit dar, für die im Imperium die Köpfe rollen würden. Und doch - wir haben den leisen Verdacht, daß sich trotz alledem immer wieder tollkühne Aventurier finden werden. die vor keiner Widrigkeit und keiner noch so großen Gefahr zurückschrecken, um all jenes zu erfahren, was den Reiz und den Schrecken des sagenumwobenen Güldenlandes ausmacht - seine bizarren Völker, die endlosen Weiten der fremdartigsten Landschaften und die Schätze und Geheimnisse aus einer Zeit, als die ersten Siedler Aventuriens noch nicht einmal geboren waren ... Vor allem jedoch wird, bei allem Reiz der neuesten Entdeckungen aus Übersee, die Schilderung Aventuriens in gewohnter Qualität und mit der gewohnten Sorgfalt weiterbetreut werden. Auf Aventurien, nicht auf das Güldenland blicken die Zwölfe im fernen Alveran mit Wohlgefallen herab - und wir wollen unser Bestes tun, um den Spieler an dem Treiben zwischen Paavi und Brabak auch weiterhin so hautnah teilhaben zu lassen wie möglich. Unter den aventurischen Regionen, die in nächster Zukunft eingehender beschrieben werden sollen, sind vor allem Almada und die Eisregionen im höchsten Norden Aventuriens zu nennen, danach sollen Albernia, Windhag und die Nordmarken, die Khom, Aranien, das Land der Tulamiden, Thorwal und das Gjalskerland - teils in Überarbeitung alter Publikationen, teils in völlig neuer Form - ausgestaltet werden. Geplant ist weiterhin ein umfangreicher Quellenband über Götter und Kulte, und natürlich die Schilderung dessen, was in den Nachfolgereichen der borbaradianischen Schreckensherrschaft vonstatten geht. Und ansonsten soll natürlich der Charakter und Charme Aventuriens eben so präsentiert werden, wie es langjährige Spieler lieben gelernt haben - von dem verderbten Treiben der alanfanischen Granden über die Intrigen der horasischen Gesellschaft, dem rondragefälligen Streit um die Ritterehre Weidens bis zu den Geheimnissen, die im ewigen Eis des Nordens oder der drückenden Schwüle der Echsensümpfe verborgen liegen. Bei all jenen Spielern, die uns schon in der Vergangenheit bei den verwegensten Questen begleitet haben, möchten wir uns an dieser Stelle noch einmal bedanken - und jeden DSA-Liebhaber herzlich einladen, mit uns den Schritt ins neue Jahrtausend zu wagen und durch Rat, Engagement und Kritik dabei zu helfen, daß das "gute alte DSA" vom Schwung eines neuen Zeitalters lebending gehalten wird.